Fastenzeit ist Zeit zum Üben
Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder!
Zu Beginn der Fastenzeit berichten Matthäus, Markus und Lukas in ihren Evangelien von der Versuchung Jesu in der Wüste und von seiner Predigt, in der Jesus zur Umkehr auffordert.
Bei Markus heißt es: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe, kehrt um und glaubt an das Evangelium.“ Das ist im Prinzip die zentrale Botschaft der Fastenzeit.
Ich stelle mich meiner eigenen Wüste und den Versuchungen die mir dort begegnen, und ich versuche umzukehren und Gott in mein Leben hineinzulassen.
Liebe Schwestern, liebe Brüder, in einer Kinderbibel habe ich einmal bei der Erzählung über die Versuchung Jesu ein vielsagendes Bild gesehen. Ganz nahe hinter Jesus steht Kopf an Kopf eine dunkle Gestalt. Die beiden Gesichter berühren sich. Die dunkle Gestalt sieht genauso aus wie Jesus. Es handelt sich offensichtlich nicht um jemand Fremden. Diese Gestalt ist Teil von Jesus. Jesus stößt seine Schattengestalt nicht von sich weg, sondern gliedert sie ein in das große Ganze seiner Person, seines Menschseins, seines Lebens.
Liebe Schwestern, liebe Brüder, es ist Fastenzeit.
Fastenzeit ist Zeit zum Üben. Zum Üben des Widerstandes gegen die Versuchungen unserer Welt. Meist sind es die körperlichen Versuchungen, die uns herausfordern. Erst wenn ich einige Zeit auf diese Dinge verzichte, merke ich, wie selbstverständlich sie für mich sind. Das ich mir vielleicht schon gar keine Gedanken mehr gemacht habe über Versuchung oder nicht.
Der Verzicht auf eine „sogenannte Versuchung“ ist immer eine bewusste Entscheidung. Jedes Mal aufs Neue. Die Fastenzeit lehrt mich: Das Evangelium finde ich in mir selbst. In meinen Entscheidungen. Im Bekenntnis zur eigenen Entscheidung, auch der eigenen Schuld.
Im Bekenntnis zu Gott, der mich nicht in Versuchung führt, sondern im Gegenteil, der mir die Augen öffnen will, damit ich meine Versuchung Anschauen kann. Wer durch das Anschauen seiner Versuchungen gelernt hat, ehrlich zu sich selber zu sein, kann auch seinen Versuchungen standhalten. Der braucht keinen Sündenbock, denn in dem ich bei mir anfange, wir nennen das Selbsterkenntnis, diene ich dem Leben.
Ihr Diakon Roland Rybak