PFINGSTEN – Juni 2019

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder!
Am 23. Mai haben wir den 70. Jahrestag unseres Grundgesetzes begangen. Am 26. Mai haben wir wieder das Europaparlament gewählt und in Hamburg wurden auch an diesem Tag die Bezirksversammlungen gewählt.
Mal ehrlich, haben Sie gewählt?
Viele Menschen gehen auf Distanz zu den Parteien und Abgeordneten, die politische Ämter ausüben. Die Politik scheint vielen eine undurchschaubare Allianz verschiedenster Machtinteressen zu sein. Es gibt berechtigte Kritik an der Art, wie politische Entscheidungen getroffen werden. Wie die Interessen der einen berücksichtigt werden und die der anderen nicht beachtet werden.
Und doch lebt unser Gemeinwesen davon, dass seine Mitglieder Verantwortung für das Ganze übernehmen und ihren Teil zu seinem Gelingen beitragen.
Das gilt nicht nur für eine demokratische Gesellschaft, das gilt für jede Familie, jede Lebensgemeinschaft, für jede Gruppe. Das gilt auch für unsere Kirche und unsere Gemeinden in ihr. Wo die einen ihren Teil der Verantwortung nicht wahrnehmen, bleibt sie nicht nur an anderen hängen, sondern es kann auch dazu führen, dass sie zu denjenigen gelangt, die nur an sich selbst denken.
Im 2. Testament im Buch der Richter (Ri 9,8-15) steht die sogenannte Jotam-Fabel von der Versammlung der Bäume, die zusammengekommen sind, um sich einen König zu wählen. Jeder der Bäume, der gefragt wird, lehnt ab, der Ölbaum, der Feigenbaum, der Weinstock: Nein, danke, ich habe keine Zeit, ich habe Wichtigeres zu tun, ich muss zuerst auf mich selbst schauen. Am Schluss sagen sie zum Dornstrauch: „Sei du unser König!“ Er sagt zu den Bäumen: „Dann bückt euch und sucht Schutz im Schatten meiner Dornen! Und wenn ihr das nicht tut, dann wird Feuer von mir ausgehen und ich werde euch alle vernichten.“
Das Buch der Richter beschreibt die Erfahrung der israelitischen Stämme, als sie sesshaft wurden. Die Zeit der Risikogemeinschaft in der Wüste, wo alle aufeinander angewiesen waren und es um das gemeinsame Überleben ging, ist vorüber. Jetzt hatten sie sich niedergelassen, wollten in Wohlstand leben. Die Befreiung aus Ägypten, die Wegerfahrung mit Jahwe in der Wüste – war Vergangenheit. Jetzt wollte man reich werden mit dem Wohlstandsgott Baal.
Wenn die Guten ihre Verantwortung für das Gemeinsame nicht wahrnehmen, für die zu sorgen, die es brauchen, und ihnen Schutz zu geben, dann werden die zum Zug kommen, die nur an sich selbst denken und ihre Macht missbrauchen.
Liebe Schwestern, liebe Brüder, ein Kennzeichen unserer Situation heute heißt „Globalisierung“. Es gibt einen gnadenlosen Kampf auf den Kapitalmärkten und zwischen den Handelszentren unserer Welt.
Der griechische Begriff für global oder weltweit heißt „katholisch“. Christliche Globalisierung meint aber etwas anderes. Ich bin gesandt, den Armen eine gute Nachricht zu bringen.
Jesus sagt: „Der Menschensohn ist nicht gekommen, sich bedienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben für alle hinzugeben.“
Christliche Globalisierung heißt: Miteinander das Brot brechen und es weltweit teilen.
Das Gegenteil zur Herrschaft des Dornstrauchs ist das Friedensreich Gottes, zu dem jede und jeder von uns berufen ist, seinen Teil dazu beizutragen.

Ihr Diakon Roland Rybak