Sommer / Urlaubszeit – Juli-August 2019
Liebe Gemeinde,
liebe Schwestern und Brüder!
Einige von Ihnen waren vielleicht schon im Urlaub, einige haben ihren Urlaub noch vor sich. Lärm, Hektik, Leistung – das sind die Stichworte, die unser tägliches Leben kennzeichnen. Es wird immer lauter, es wird immer hektischer, die Leistungsanforderungen steigen. Was bei dieser rasanten Fahrt auf der Strecke bleibt, ist unser Innerstes, unser Herz, unsere Seele. Wir Menschen müssen Ruhepausen – wir nennen diese Pausen auch Urlaub oder Ferien – einlegen, in denen wir in stiller Besinnung unsere Seele „nachkommen“ lassen können. Denn nur so werden wir nicht innerlich ausgelaugt und krank, können wir das Wesentliche vom Unwesentlichen unterscheiden und mit neuer Kraft das tun, was zu tun ist.
Die ganze Natur ist auf Ruhepausen ausgerichtet. Tiere und Pflanzen nutzen die Zeit des Winters, sich zu regenerieren, um im Frühjahr wieder neu aufzuleben und aufzublühen. Eigentlich sind wir Menschen als Teil der Natur, ähnlich angelegt. Wir brauchen auch immer wieder so etwas wie Ruhepausen, Winterschlaf oder Brachzeit.
Ich möchte Ihnen die Geschichte von der kleinen Maus Frederick erzählen.
(Leo Lioni, Frederick G., Middelhauve –Verlag, Taschenbuch von 1987):
Rund um eine Wiese herum, wo Kühe und Pferde grasten, stand eine alte Steinmauer. In dieser Mauer wohnte eine Familie Feldmäuse. Als der Herbst kam begannen die kleinen Feldmäuse alles zu sammeln, was sie für den nahen Winter brauchen konnten: Nüsse, Körner, Stroh. Alle Mäuse arbeiteten Tag und Nacht, nur Frederick nicht.
„Warum arbeitest du nicht, Frederick?“: fragten ihn die anderen Mäuse empört. „Ich arbeite doch, ich sammle Licht in den warmen Sonnenstrahlen, denn der Winter ist dunkel und kalt.“ Als sie nach einiger Zeit Frederick immer noch dasitzen sahen, wie er auf die Blumenwiese starrte, fragten sie wieder: „Und nun, Frederick, was machst du jetzt?“ „Ich sammle Farben, denn der Winter ist grau“, war die Antwort.
Dann sah es einmal aus, als wäre Frederick eingeschlafen. „Träumst du denn, Frederick?“, riefen sie vorwurfsvoll. „Aber nein“, sagte er: „ich sammle Wörter, denn an langen Wintertagen wissen wir nicht mehr, worüber wir sprechen sollen.“
Als nun der Winter kam und der erste Schnee fiel, da zogen sich die Mäuse in ihr Versteck zwischen den Steinen zurück. Zuerst gab es noch viel zu essen und viel zu erzählen. Die Mäusefamilie war ganz glücklich. Aber mit der Zeit waren die Vorräte aufgebraucht und es war auf einmal sehr kalt zwischen den alten Steinen, niemand wollte mehr reden. Da fiel den Mäusen plötzlich ein, wie Frederick vom Licht, von den Farben und Wörtern gesprochen hatte.
„Frederick“, riefen sie, „was machen denn deine Vorräte?“ „Macht eure Augen zu“, sagte er und setzte sich auf einen großen Stein. „Jetzt schicke ich euch Sonnenstrahlen und Licht.“
Und während Frederick den Mäusen von Licht und Sonne erzählte, da wurde ihnen schon viel wärmer. „Und die Farben, Frederick?“ „Macht eure Augen wieder zu“, sagte Frederick und erzählte von blauen Kornblumen und roten Mohnblumen im gelben Kornfeld; da sahen sie die Farben so deutlich, als wären sie in ihren Köpfen aufgemalt. „Und die Wörter?“ Frederick räusperte sich, wartete einen Moment, und dann schenkte er den Mäusen viele gute Worte.
Da konnten die Mäuse überwintern, denn nun hatten sie was sie brauchten!
Liebe Schwestern, liebe Brüder, ich wünsche Ihnen und mir, es im Urlaub so zu machen wie Frederick: einfach zu sein, in uns hineinschauen, und zu erspüren, was an Leben, an Gefühlen und Gedanken in uns ist, ohne dass wir uns nach außen verschließen, um die Farben zu sehen, die Worte zu hören und die Sonnenstrahlen zu spüren, die uns gut tun.
Ihr Diakon Roland Rybak