Nächstenliebe – Sep-Okt 2019

Liebe Gemeinde,
liebe Schwestern und Brüder!

Die Ferien sind vorüber. Ich hoffe und wünsche Ihnen, dass Sie gut erholt aus dem Urlaub zurückgekommen sind. Der Alltag hat uns also wieder.

Im September begehen wir auch in diesem Jahr die bundesweit jährlich stattfindende Interkulturelle Woche. Sie wird am 22. September in Halle / Saale eröffnet.

Multikulturell, interkulturell sind bekannte Begriffe. Diese Begriffe werden in unserer Gesellschaft unterschiedlich bewertet. Es wird erwartet, dass sich einerseits das Zusammenleben von Menschen aus verschiedenen Kulturen und Völkern automatisch regelt. Einer interkulturellen Gesellschaft begegnen viele Menschen aber auch mit Widerstand: Ja keine Überfremdung!

In der öffentlichen Diskussion darüber wird die Wirklichkeit oft ausgeblendet – die schon jahrzehntelange Anwesenheit von fast 8 Millionen Menschen aus anderen Ländern, die zunehmenden Anglizismen in der Sprache, Werbung, Internet, Sport. Solange das verdrängt wird, bleibt noch viel zu tun.

Als Kirche haben wir dazu eine hervorragende Theorie. Nur bleibt unsere Praxis dahinter oft zurück.

Liebe Schwestern, liebe Brüder, wozu sind wir Christen mit unseren Kirchen und Gemeinden da? Die Antwort auf diese Frage ist schon lange nicht mehr selbstverständlich. Darum möchte ich mit Ihnen darüber einmal nachdenken. Denken Sie an die Schatzgeschichte, die uns Jesus im Matthäusevangelium (Mt 13, 44-46) erzählt.

Da findet einer eine teure Perle und vor lauter Freude verkauft er alles was ihm gehört. Nicht um den Armen zu helfen. Nein! Er will die Perle kaufen. Sie hat er gesucht. Jetzt hat er sie. Was will uns Jesus damit sagen? Sein Vater im Himmel ist diese Perle! Dafür lohnt sich jeder Einsatz.

Wird in unseren Gemeinden noch etwas spürbar davon? Zumindest ein Teil der Zuhörer Jesu war begeistert davon. Sie begriffen: Da geht es um mich, da geht es um uns alle, da geht es ums Ganze! Wozu also sind wir da als Christen in dieser Welt?

Wir sind da, um mit Jesus Christus zu leben und Signale zu setzen, die zeigen, wo es langgeht zum Leben. Christen, Gemeinden, eine Kirche, die das vergessen, kann man vergessen. Die hätten nichts mehr zu sagen zu den Fragen und Problemen, die Menschen heute bewegen. Christen, die nicht von Gottes Großartigkeit fasziniert sind, die in ihm nicht die kostspielige Perle entdecken, werden belanglos.

Müssen wir nicht alle miteinander auf die Suche nach der Perle gehen? Müssen wir nicht suchen im anderen? Wenn ich diese Perle, auf die alles ankommt, nicht in deinem Glauben, nicht in deiner Kultur, nicht in deinem Dasein gefunden habe, bleibt alles umsonst und es passiert nichts. Die Welt wird nicht anders und wir bleiben in unseren eigenen Lebensverhältnissen stecken.

Meine Perle ist in dir, deine Perle ist mir. Das ist der Kern des Evangeliums. Wir bilden nicht mehr einzelne Inseln von Kulturen, von Menschen gleicher Herkunft – ich lebe so, du lebst so und wir gehen einander nichts an –, sondern wir finden erst im je anderen unser eigenes Geheimnis.

Meine eigene Kostbarkeit, meine eigene Kultur, mein ganzer Schatz kommt erst zu Geltung, wenn ich auf dich schaue und mich in dich hinein vergesse und verliere.

Liebe Schwestern, liebe Brüder, hier kommt das Gebot Gottes – und der Nächstenliebe ins Spiel. Ich muss lernen dieses Gebot der Liebe neu zu buchstabieren! Ich möchte Gott lieben mit deinem Herzen und ich möchte dich lieben mit Gottes Herzen. Mich eins machen mit dir, Schwester, Bruder – das ist der neue Lebensstil zwischen Kulturen und Nationen, zwischen Armen und Reichen, zwischen Traurigen und Glücklichen. Wozu es uns Christen eigentlich noch gibt? Dass dieser Lebensstil Schule macht. Dass wir die Perle im anderen finden. Entdecken wir, was Gott für uns bereithält. Seine Großartigkeit und Liebe.

Ihr Diakon Roland Rybak