Zur Fastenzeit 2021

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern, liebe Brüder!

In der Fastenzeit beten wir am Montag immer den Kreuzweg, anstelle des Rosenkranzes, in unserer Kirche. Ich möchte Sie einladen, sich in den kommenden Wochen einmal die Zeit zu nehmen und das Bild der 11. Kreuzwegstation – „Jesus wird ans Kreuz genagelt“ – in unserer Kirche St. Bonifatius zu betrachten.

Beim Anschauen des Bildes fällt mir auf, dass Jesus ganz ruhig, ganz gelassen, ja ganz friedlich dargestellt ist. So als wollte der Künstler Bezug auf den Propheten Jesaja nehmen, der sagt: „Er wurde misshandelt, doch er beugte sich. Er öffnete nicht seinen Mund. Wie ein Lamm, das man zur Schlachtbank führt; wie ein Schaf vor dem Scherer verstummt, öffnet er nicht seinen Mund.“ (Jes 53, 7)

Jesus schweigt. Er weiß, es ist zu spät, um nachzugeben. Er hat zu viel gekämpft. Er weiß auch, dass er nicht vernünftig war, er hat übertrieben, da musste es so kommen. Er hat die anständigen Leute Natterngezücht genannt, er hat ihnen gesagt, ihr Herz wäre ein finsteres Grab hinter einer schönen Fassade. Er hat die Aussätzigen umarmt, er hat die Unverschämtheit besessen, sich mit Fremden einzulassen. Er hat mit öffentlichen Sündern gegessen und hat gesagt, dass die Prostituierten die ersten im Paradies sein werden. Er hat Gefallen an den Armen gefunden – den Verlausten, den Heimatlosen, den Ausgegrenzten, den Verkrüppelten an denen, die nichts galten. Er hat die rituellen Vorschriften ungenau beachtet, er wollte das Gesetz auslegen und es auf ein einziges Gebot zurückführen: „Auf die Liebe.“

Jesus wurde aus Gründen ans Kreuz genagelt, die auch heute noch ans Kreuz bringen: Die Angst, vor dem Unruhestifter – dem politischen wie dem religiösen. Die Angst, vor der Stimme die ruft: „Kehrt um und verändert eure Sicht…“ (Mk 1, 15) Die Angst, aufgeschreckt zu werden, aus vermeintlichen Sicherheiten von Bräuchen und Lehren. Die Angst, vor dem Unbequemen, der Fenster aufstößt in die Realität.

Liebe Schwestern, liebe Brüder! Sie und ich, – wir kennen diese Ängste – um uns herum, aber auch in uns.

Ich habe Angst, Herr,

auf die Weisheiten der Menschen zu hören.

Ich weiß, dass du recht hast.

Hilf mir kämpfen, hilf mir reden.

Herr hilf mir, nach deinem Evangelium zu leben,

bis ans Ende, bis zur Torheit,

bis zur Torheit des Kreuzes. Amen.

Ihr Diakon Roland Rybak